Point Blank Kunstinstallation
Maxvorstadt, München


Jahr
2016
Projektumfang
Konzeption und Ausführung
Zusammenarbeit
Benjamin Busch 


Das Kunstprojekt ‚Point Blank‘ entstand in Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekten und Kunstkritiker Benjamin Busch in unseren alten Atelierräumen in Moosach. Mit einer Fotoreihe als Grundlage, die im Sommer 2013 auf der Autobahn zwischen Athen und Thessaloniki entstand, statteten wir einen fiktiven Immobilienshowroom im Herzen Münchens aus. Die ständig aus der Straße einsehbare Installation am Eckhaus Adalbert- und Türkenstraße bestand aus vier industriell gefertigten Leuchtkästen mit Abbildungen leerer Werbetafeln und dem Modell einer Bauruine, die wir auf unserer Dokumentationsreise aufgenommen hatten. 

Thema der Kunstinstallation war die wechselseitige Abhängigkeit der europäischen Ökonomien und ihre Auswirkung auf den Immobilienmarkt.

Seit den Anfängen der Europäischen Schuldenkrise 2009, werden die Städte Zentral- und Nordeuropas, insbesondere Deutschlands, zunehmend als ‚sichere Häfen‘ aufgefasst, an denen man Geld sicher anlegen kann (1). Großstädte wie München und Berlin verzeichnen seitdem einen erheblichen Anstieg an internationalen Investitionen in Ihren Stadtgebieten. Gleichzeitig entwickelt sich die südlichen Peripherie Europas gegenläufig. In Griechenland wurden hohe Steuern erhoben aufgrund des von den Gläubigern des Landes geforderten Spardiktats. Die Investitionsbereitschaft in den städtischen Ballungsgebieten ist daraufhin erschreckend zurückgegangen. Gleichzeitig stehen Objekte in touristischen Regionen nach dem dramatischen Preisverfall, der darauffolgte, praktisch im Ausverkauf (2).

Richtet man in den letzten Jahren den Blick auf die griechische Landschaft, stößt man auf ein bizarres Phänomen: fast alle Werbetafeln stehen leer. Dieses Phänomen regte unser Interesse an und wurde zum Anlass für das Projekt ‚Point Blank‘. Egal ob in den USA während der Ölkrise oder in Ägypten während des Arabischen Frühlings, Leere Werbetafeln vermitteln dem Betrachter das Gefühl von Verwahrlosung. Dieser Leerstand ist eine Metapher für jede ökonomische Krise, eine Visualisierung der ihr innewohnenden Unordnung. Gleichzeitig kann aber das Wegfallen vom Werbeinhalt, das Abbrechen der Bilderflut, die uns täglich umgibt, auch befreiend wirken. Wir wollten durch den Umgang mit diesem ‚universalen‘ Sinnbild eine unmittelbare Reaktion herbeiführen. Beim Titel ‚Point Blank‘ handelt es sich um einen Begriff aus der Militärsprache, der den Abstand beschreibt, aus dem ein Schuss mit Sicherheit tödlich ist. Es ist ein Wortspiel, das dem wohlklingendem, symmetrischen ‚brand name‘ einen düsteren Unterton verleiht, eine Anspielung auf die geladene Situation in Europa.

Der Ort spielte eine ausschlaggebende Rolle in unserem Projekt. Die Nachbarschaft in der Maxvorstadt nahe der Kunstakademie, ist eine der begehrtesten Wohnlagen Münchens und für die meisten Mieter preislich unantastbar. Die Stadt sieht sich zusätzlich zur zunehmenden Privatisierung von Wohnraum, jetzt auch mit dem Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen konfrontiert. Die daraus entstehende Wohnungsnot ist die Kehrseite der sich auftuenden Dystopie am Südlichen Rand Europas. Wir wollten diesen Zusammenhang an einem Ort bildlich darstellen, der auf seine Weise auch unter dieser Krise leidet.

Das Arrangement der Objekte imitierte möglichst detailgetreu den Showroom eines reellen Münchner Bauprojekts. Die Fotos auf den Leuchtkästen wurden hochauflösend aufgenommen, farblich aufeinander abgestimmt und nachträglich retuschiert. Das Modell der Bauruine in der Größe eines stattlichen Puppenhauses war von innen beleuchtet und stand unantastbar in einer Glasvitrine auf einem Podest. Mit der Adoption der Immobilienentwickler-Ästhetik wollten wir ein den Münchnern vertrautes Bild wecken – das der großformatigen, gerenderten Darstellungen, die in Showrooms und auf Bautafeln Großbauprojekte in der Öffentlichkeit bewerben. Was diese Darstellungen immer unmissverständlich transportieren, ist der Eindruck, dass das hier Geschaffene eine naturgemäße Entwicklung der Stadt ist, eine greifbare Utopie, eine sichere Investition. 

Das Wegbleiben der Utopie in unserem Showroom, sollte derartige mediale Bilder in Frage stellen. Vor allem aber sollte die Installation als Werbung getarnt die Aufmerksamkeit der Passanten erhaschen und Ihnen unerwartet die Möglichkeit geben, die dargestellten Bilder und Objekte selbst zu interpretieren wie sie wollen.
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